14. Station: Videbullenstraße 22

Josef Schweid, Ehepaar Hartogsohn

Josef Schweid

Josef Schweid wurde am 1. Dezember 1902 in Warschau (Polen) geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung war er als selbständiger Vertreter/Generalvertreter tätig. Er wohnte in der Videbullenstr. 22. 1938 wurde er vom NS-Regime als polnischer Staatsbürger verhaftet und an die polnische Grenze abgeschoben. Von dort konnte er sich bis in seine Geburtsstadt Warschau 14_Josef Schweiddurchschlagen. Im Sommer 1939 kam er mit der Genehmigung der deutschen Behörden noch einmal nach Minden zurück, um seine Geschäfte und privaten Angelegenheiten abzuwickeln. Bevor er Ende August wieder nach Warschau reisen will, wird er – vermutlich am 1. oder 2. September 1939, als NS-Deutschland gerade Polen überfallen hatte – verhaftet und ins Konzentrationslager Oranienburg deportiert. Am 28. Mai 1942 wurde Josef Schweid im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet: Er wurde auf Befehl erschossen. Seine verwitwete Mutter sowie seine acht jüngeren Geschwister schafften es, nach New York auszuwandern. Auch Josef Schweid hatte für seine Auswanderung in die USA bereits im Sommer 1938 Vorsorge getroffen und war von den amerikanischen Behörden bereits in eine Liste Einwanderungswilliger aufgenommen worden und hatte den Bescheid erhalten, sich jederzeit für seine Auswanderung bereit zu halten.

Ehepaar Hartogsohn

In der Videbullenstraße 22 lebte auch das jüdische Ehepaar Moritz und Meta Hartogsohn.

Moritz Hartogsohn wurde am 9. Oktober 1877 in Emden geboren. Er besuchte dort die Höhere 14_Moritz HartogsohnSchule und erlernte nach dem Abschluss den Beruf des Tabakwarengroßhändlers. Seit 1905 betrieb er in Emden selbstständig einen Großhandel und ein Importgeschäft für Rohtabak; er war an den Warenbörsen zugelassen. Außerdem war er selbstständiger Vertreter einschlägiger Firmen in Bremen und Hamburg. Am 3. Oktober 1907 heiratete er die am 9. April 1882 in Bielefeld geborene Meta Ahrendt. Sie bekamen am 10. Juli 1908 ihren Sohn Walter. Moritz nahm als Soldat von 1914 bis 1918 am 1.Weltkrieg teil. Er wurde zum Vizefeldwebel befördert und mit dem EK II sowie dem Frontehrenkreuz ausgezeichnet.

Im März 1915 zog die Familie nach Minden um. Moritz Hartogsohn gründete in der Königstraße 77, wo die Familie auch wohnte, ein Geschäft für Tabakimport und -großhandel und betrieb daneben auch ein Einzelhandelsgeschäft für Tabakwaren. Er galt bald als bekannter und erfolgreicher Geschäftsmann, so dass die Familie in einer außerordentlich guten wirtschaftlichen Lage lebte. Nach 1933 litten Familie und Geschäft unter den zunehmenden Verfolgungs- und Boykottmaßnahmen. In deren Folge musste Moritz Hartogsohn 1936 sein Geschäft aufgeben. Im März 1938 oder Frühjahr 1939 (der genaue Zeitpunkt lässt sich nicht feststellen) stellte er einen Auswanderungsantrag nach Holland. Hier lebte seit 1933 der Sohn Walter, dem rechtzeitig die Emigration gelungen war. Die Auswanderung wurde jedoch nicht genehmigt. Für den Antrag hatte Moritz Hartogsohn bei der Oberfinanzdirektion Münster eine Aufstellung seines Vermögens und seines Auswanderergutes einreichen müssen. Diese Aufstellung bestätigte, dass die Familie in einem überdurchschnittlich gut eingerichteten Haushalt lebte.

Nach Kriegsbeginn musste das Ehepaar wie viele andere Jüdinnen und Juden seine Wohnung aufgeben und in das sog. „Judenhaus“ in der Königstraße 37 umziehen, wo sie in großer Enge und unter vielen Schikanen lebten. 1941 stellte Moritz Hartogsohn einen Einwanderungsantrag in die USA beim amerikanischen Konsulat in Stuttgart; durch den Kriegseintritt der USA wurde dieser Antrag hinfällig.

Zum weiteren Schicksal von Meta und Moritz Hartogsohn gibt es zwei sich teilweise widersprechende Quellen. Nach der einen wurden sie Ende 1941 oder Anfang 1942 verhaftet und14_Meta Hartogsohn in das Ghetto Riga deportiert, von wo sie später gemeinsam weiter in das KZ Theresienstadt deportiert wurden. Von hier wurden sie in das KZ Auschwitz verschleppt, wo sie ermordet wurden. Nach der anderen Quelle wurden sie am 28. Juli 1942 verhaftet und nach Bielefeld verschleppt; von hier wurden sie am 31. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo Moritz Hartogsohn am 10. November 1943 umgekommen ist. Seine Frau Meta wurde nach dieser Quelle weiter nach Auschwitz deportiert, wo sie am 15. Mai 1944 ermordet wurde. Beide wurden zum 31. Dezember 1945 für tot erklärt.

Wie alle Jüdinnen und Juden verlor auch das Ehepaar Hartogsohn mit der Verhaftung und Deportation alle Rechte an seinem Eigentum. Es wurde beschlagnahmt und von der Stadt Minden weit unter Wert versteigert, wobei ein großer Teil des wertvollen Hausrats und Schmucks spurlos verschwand. Am 13. Oktober 1942 überwies die Finanzkasse Minden 241,- RM als Hausratserlös aus der Versteigerung an die Oberfinanzkasse Münster. Sohn Walter, der das Naziregime und den Holocaust überlebte, erhielt nach dem Kriege dafür eine Entschädigung von 7.000,- DM.