16. Station: Ritterstraße 11

Dina Heinemann, Käthe Löwy geb. Pincus, Amalie Pincus geb. Posener

Dina Heinemann

Das frühere Haus Ritterstraße 11 existiert nicht mehr. Es war das elterliche Haus der Jüdin Dina Heinemann, die vermutlich seit ihrer Geburt am 20. Februar 1872 hier gewohnt hat. Nach Abschluss ihrer Schulzeit absolvierte sie eine Lehre als Schneiderin. Sie blieb unverheiratet.

Während der Zeit der Weimarer Republik war sie bekannt für ihr soziales Engagement. So wurde sie 1919 zur Vorsteherin des 14. Wohlfahrtsbezirks der Stadt Minden bes15_Dina Heinemanntimmt. Dieses Engagement führte sie auch in die Politik und zur Sozialdemokratie. Vermutlich zu Beginn der Weimarer Republik wurde sie Mitglied des Ortsvereins Minden der SPD. Zweimal kandidierte sie bei den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung: 1924 und 1929. Aufgrund des damals bestehenden reinen Verhältniswahlrechts, bei dem nicht Personen, sondern Listen gewählt wurden, erreichte die SPD zu wenige Sitze, so dass sie nicht Stadtverordnete werden konnte.

Nach dem 30. Januar 1933 lebte Dina Heinemann zunehmend isoliert. Als Sozialdemokratin und als Jüdin war sie doppelt vom Feindbild der Nazis betroffen. Sie wurde diskriminiert und ausgegrenzt, schließlich verfolgt und auch tödlich bedroht.

Am 28. Juli 1942 wurde Dina Heinemann zusammen mit 31 anderen Jüdinnen und Juden aus Minden in das KZ Theresienstadt deportiert. Bereits einen Monat später, am 29. August 1942, kam sie dort um.
Über die Umstände ihres Todes ist nichts bekannt.

Käthe Löwy geb. Pincus

Im Hause Ritterstraße 11 wohnte auch die Jüdin Käthe Löwy geb. Pincus, die Tochter von Amalie und Abraham Pincus. Die vorhandenen Akten sagen nur sehr wenig über sie aus.

Käthe Pincus wurde am 22. Juni 1882 in Greifenhagen/Pommern geboren. (Das Gedenkbuch des Bundesarchivs nennt Greifenberg in Pommern als Geburtsort) Sie hatte einen Bruder, Gustav, der mit seiner Familie unter dem Naziregime nach Warschau deportiert wurde und dort umkam. Am 5.15_Käthe Loewy September 1911 heiratete sie in Berlin Max Löwy. Wann ihr Mann verstarb, ist unbekannt, aber sie war Witwe, als sie 1924 zusammen mit ihren Eltern von Hausberge nach Minden umzog, zunächst in die Simeonstraße 13. Seit 1939 wohnte sie, wie ihre Eltern, im Hause Ritterstraße 11. 1941 starb ihr Vater; er ist auf dem jüdischen Friedhof in Minden begraben.

Zusammen mit ihrer Mutter wurde Käthe Löwy am 28. Juli 1942 verhaftet und nach Bielefeld abgeschoben. Am 31. Juli 1942 folgte unter der Transport-nummer XI/1-315 die Deportation in das KZ Theresienstadt. Hier wurde Käthe Löwy am 7. April 1944 ermordet. Wenige Tage vorher war auch ihre Mutter hier ermordet worden.

Amalie Pincus geb. Posener

Bei den biographischen Angaben zu Amalie Pincus widersprechen sich die Quellen teilweise. Sie wird sowohl „Pincus“ wie auch „Pinkus“ genannt, ihr Geburtsname sowohl als „Posener“ wie als „Posner“ angegeben. Auch ihr Geburtsdatum und Geburtsort unterscheiden sich in den Quellen: Lt. AfW-Akte und Meldekartei wurde sie am 3. April 1861 (!) in Greifenberg Krs. Angermünde/Pommern geboren, lt. Gedenkbuch am 3. April 1860 (!) in Schwiebus/Pommern. Dennoch steht zweifelsfrei fest, dass alle Quellen von derselben Person sprechen. Die Widersprüche sind wahrscheinlich auf Fehler in der Aktenführung in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurückzuführen

15_Amalie Pincus geb. PosenerAmalie Posener war Jüdin. Sie heiratete am 6. September 1881 den Kaufmann Abraham Pincus in Greifenhagen/Pommern. Sie blieb Hausfrau. Zwei Kinder aus der Ehe hatten später auch unter dem nationalsozialistischen Terrorregime zu leiden: Tochter Käthe, am 22. Juni 1882 geboren, führte nach ihrer Heirat den Namen Löwy; sie wurde am 7. April 1944 im KZ Theresienstadt ermordet. Sohn Gustav, geboren am 21. Oktober 1885, kam 1943 im Warschauer Ghetto um. Das Ehepaar Pincus muss noch eine weitere Tochter gehabt haben, über die allerdings keine Unterlagen vorliegen. Es ist zu vermuten, dass diese geheiratet hat und danach den Namen Meyer führte. Jedenfalls strengten nach dem Kriege auch drei Enkelkinder der Amalie Pincus, die alle den Geburtsnamen Meyer führten, erfolgreiche Wiedergutmachungsverfahren an.

Wann das Ehepaar Pincus Pommern verließ, ist nicht exakt festzustellen. Sicher ist, dass es 1923 von Berlin nach Hausberge verzog, wo schon Sohn Gustav lebte.

Im Sommer 1924 zogen Abraham und Amalie nach Minden um, zunächst in die Simeonstraße 13; 1935 wechselten sie in die Königstraße 51 und 1938 nach hier in die Ritterstraße 11. Im selben Haus wohnte auch ihre inzwischen verwitwete Tochter Käthe Löwy.

Im Jahr 1941 starb Abraham Pincus; er ist auf dem Mindener jüdischen Friedhof beerdigt.

Am 28. Juli 1942 wurde Amalie Pincus verhaftet und zusammen mit vielen anderen Jüdinnen und Juden nach Bielefeld abgeschoben. Drei Tage später wurde sie in das KZ Theresienstadt deportiert. Zum selben Transport gehörte auch ihre Tochter Käthe. Lt. Gedenkbuch wurde Amalie Pincus am 22. März 1944 dort ermordet. Die AfW-Akte sagt aus, sie sei in Theresienstadt verschollen und zum 8. Mai 1945 für tot erklärt worden.

Nach der Deportation wurde ihre Wohnungseinrichtung enteignet und vom Finanzamt Minden an die Stadt Minden verkauft.