2. Station: Steinstraße 9/Ecke Stiftstraße

 Dr. Robert Nußbaum

Robert Nußbaum wurde am 30.Mai 1892 in Straßburg, das zur damaligen Zeit zum Deutschen Reich gehörte, geboren. Seine Eltern waren der Gymnasialprofessor Moritz Nußbaum ubnd Ida Nußbaum geborene Koppel. Er hatte noch eine Schwester. Die Familie gehörte zur jüdischen Gemeinde.

Robert Nußbaum studierte Medizin. 1914 meldete er sich freiwillig zum Militär; er machte den Ersten Weltkrieg mit, zunächst als einfacher Soldat, später als Unterarzt. Er wurde verwundet und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach der Entlassung aus dem Militär im November 1918 arbeitete er freiwillig im Straßburger Lazarett. 1919 wurde er als Deutscher aus dem französisch gewordenen Elsass ausgewiesen. Er schloss sein Medizinstudium in Tübingen ab und arbeitete danach als Arzt in Esslingen, Düsseldorf und Dortmund, wo er sich vor allem der Kinder- und Säuglingsfürsorge widmete. 1923 beteiligte er sich am passiven Widerstand gegen die französische Besatzung im Ruhrgebiet und floh vor der drohenden Verhaftung nach Minden.

Seit 1923 lebte Robert Nußbaum mit seiner Frau Dora, geborene Quirin, in Minden. Dora Nußbaum war Christin. Sie hatten drei Kinder: Heinrich, geboren 1924; Günter, geboren 1925, und Anneliese, geboren 1928. Die Familie lebte zunächst in der Königstraße 74, später in der Steinstraße 9, Ecke Stiftstraße. In diesem Haus befand sich auch die ärztliche Praxis.

Robert Nußbaum war Mitglied der SPD. Pfarrer Wilhelm Mensching bezeichnete ihn als „äußerst engagierten, sozial verantwortungsbewussten und tatkräftigen Arzt“, der sich in der Arbeit mit Alkoholikern und Tbc-Kranken engagierte. Er war in Minden sehr angesehen, hoch geachtet und sehr beliebt. Schon 1923 wurde er zum Stadtarzt berufen, 1932 zum Gerichtsarzt des Versorgungsgerichts.

Gleich nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten beginnen die Schikanen gegen Robert Nußbaum als Jude und als Sozialdemokrat. 1933: Ausschluss durch Polizeiverfügung aus dem Elternbeirat der Bürgerschule II wegen seiner Mitgliedschaft in der SPD. 1934: Ausschluss vom ärztlichen Sonntagsdienst durch die Kassenärztliche Vereinigung Minden als „nichtarischer“ Arzt. 1937 wird Robert Nußbaum anonym beschuldigt, Kollegen beleidigt zu haben; daraufhin erfolgt eine Maßregelung durch die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands. Zwei Mindener Kollegen erstatten Anzeige gegen ihn, wollen diese aber zurückziehen, wenn er Minden verlasse. Er weigert sich und bestreitet in der Verhandlung vor dem Mindener Amtsgericht die angeblichen Beleidigungen. Er wird dennoch wegen Beleidigung zweier Ärzte zu einer Geldstrafe, ersatzweise Gefängnis verurteilt; Robert Nußbaum geht in die Berufung. Am 14. Juli 1937 wird er noch vor dem Termin der Berufungsverhandlung verhaftet. Im August 1937 wird die Berufung verworfen; Robert Nußbaum wird zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Er wird danach bis zu seinem Tode am 15. April 1941 nicht mehr frei gelassen.

Ende 1937 wird Robert Nußbaum wegen sogenannter „Rassenschande“ von einer Patientin angezeigt. Über die einzige „Zeugin“ schreibt die Staatspolizei, mit ihr stimme „irgendetwas nicht in geistiger Beziehung“; auch die ärztlichen Gutachter bezeichnen sie „in gewissem Sinne als Psychopathin“. Im Prozess vor dem Bielefelder Landgericht im Frühjahr 1938 bestreitet Robert Nußbaum den Vorwurf, er wird trotzdem zu drei Jahren Zuchthaus, drei Jahren Ehrverlust und fünf Jahren Berufsverbot verurteilt. Er geht in die Revision. Am 30. Mai 1938 hebt das Reichsgericht das Urteil auf und verweist den Fall an das Landgericht Bielefeld zurück, das ihn am 11. September 1938 erneut zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.

Von Dezember 1938 bis Februar 1941 sitzt Robert Nußbaum in den Zuchthäusern Münster und Kassel ein. Während dieser Zeit reichen seine Ehefrau und seine Mutter mehrere Gnadengesuche für ihn ein und beantragen die Erlaubnis zur Auswanderung für ihn und die Familie. Am 14. Februar 1941 wird Robert Nußbaum nach Verbüßung der Strafe aus dem Zuchthaus entlassen und sofort in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. Hier stirbt er unter ungeklärten Umständen am 15. April 1941. Die offizielle Todesursache lautet: Brustfellentzündung.Dr. Robert Nussbaum