12. Station: Pöttcherstr. 13

Bentlage, Karl

Karl Bentlage wurde am 20. Juni 1868 in Minden geboren. Er trug den zweiten Vornamen Heinrich. Sein Vater war der Glaser Johann Heinrich Bentlage, als dessen Beruf in anderen Dokumenten Schlosser genannt wird. Seine Mutter war Charlotte Luise Bentlage geborene Böger verwitwete Thomas. Karl wurde evangelisch-reformiert getauft. Er hatte sieben Geschwister. Zur Zeit seiner 11.1Geburt lebte die Familie in Minden „Am Bahnhof“. Er erlernte den Beruf des Buchdruckers, den er auch über mehrere Jahrzehnte ausübte, zuletzt als Maschinenmeister. Er blieb ledig. Seinen Wehrdienst leistete er beim Infanterie-Regiment Nr.15 in Minden ab. Von einem Zeitpunkt an, der sich aus den Unterlagen nicht exakt bestimmen lässt, lebte er in der Pöttcherstraße 13 bei seiner Schwester Friederike Bentlage. Einige Angaben in seiner späteren Krankenakte lassen vermuten, dass noch weitere Geschwister im selben Haushalt lebten.

Mitte der 20er Jahre macht sich offenbar eine psychische Erkrankung bei Karl Bentlage bemerkbar. 11.2Sie könnte Folge eines Arbeitsunfalls gewesen sein, bei dem er sich Kopfverletzungen zugezogen hatte. Am 7. August 1927 wird er in das Mindener Krankenhaus eingewiesen, nachdem er lt. ärztlichem Bericht gegenüber seiner Schwester gewalttätig geworden war. Der behandelnde Arzt schreibt, dass seit ungefähr fünf Jahren starke Veränderungen mit ihm vorgegangen seien: Er sei misstrauisch und jähzornig geworden, zeige Wahnideen, habe kaum noch das Haus verlassen und darüber auch seine Arbeit vernachlässigt. Der Arztbericht spricht von einer „Gemeingefährlichkeit gegenüber seinen Schwestern“. In einem späteren Brief vom 15. Dezember 1928, als Karl bereits in einer Heilanstalt lebt, schreiben die Geschwister über diese Zeit, dass ihnen ihr Bruder „das Leben recht schwer gemacht“ habe, „was ja durch ärztliches Zeugnis bestätigt“ sei.

Am 15. August 1927 erklärt die Polizeiverwaltung Minden, sie habe keine Bedenken gegen seine Unterbringung in einer Anstalt. Am 19. August 1927 wird Karl Bentlage in die Provinzialheilanstalt Gütersloh einge- wiesen. Der Aufnahmeschein bescheinigt „arterio-sklerotisches Irresein“ und fehlende Aussicht auf Genesung.

In den folgenden Jahren geht aus seiner Krankenakte als stets wiederkehrende Beurteilung hervor: Er sei ruhig und geordnet, bei seinen Arbeiten auf dem Lager fleißig, er sei aber verschlossen, halte sich von den anderen Patienten fern, zeige mit fortschreitender Dauer seines Aufenthaltes in der Anstalt Wahnideen. 1941 nennt die Krankenakte ihn „autistisch“, es wird ihm Schizophrenie attestiert. Im Dezember 1942 zieht er sich bei einem Sturz einen Oberschenkelhalsbruch zu; er bleibt danach körperbehindert.

Am 14. Oktober 1943 wird er aus Gütersloh entlassen, zwei Tage später wird er in die Gauheilanstalt Warta in Polen aufgenommen. Warta gehörte unter der deutschen Besetzung Polens zum sog. Reichsgau Wartheland. Die dort schon vorhandene Heil- und Pflegeanstalt war zu einer der Tötungsanstalten im nationalsozialistischen Euthanasieprogramm umfunktioniert worden. Man muss davon ausge11_Karl Heinrich Bentlagehen, dass Patienten, die aus Heilanstalten im Reichsgebiet nach Warta verlegt wurden, für die Euthanasiemorde vorgesehen waren. Das gilt wohl auch für Karl Bentlage.

Noch am 21. Februar 1944 erhält Friederike Bentlage auf Nachfrage den Bescheid aus Warta, der körperliche und psychische Zustand ihres Bruders sei unverändert, er sei ruhig, bereite keine Schwierigkeiten, habe guten Appetit und schlafe gut. Am 23. April 1944 stirbt Karl Bentlage. Über die Umstände seines Todes gibt es keine Informationen; der Totenschein nennt als Todesursache „Altersschwäche“.

Bezeichnend ist folgender Umstand: Den Geschwistern Bentlage wurde telegraphisch mitgeteilt, die Beerdigung ihres Bruders sei am 27. April um 11 Uhr; die Telegramme kamen aber erst am 26.(!) April bei ihnen an, so dass Friederike Bentlage schreibt, wegen der zu knappen Zeit hätten die Geschwister nicht zur Beerdigung fahren können.