17. Station: Simeonstraße 8

Familie Kirschroth

Hier befand sich vor dem 2. Weltkrieg das Schuh- und Bekleidungsgeschäft der jüdischen Familie Kirschroth, die auch in diesem Hause wohnte. Die Eltern waren polnischer Herkunft. Der Vater, Samuel Kirschroth, wurde am 1. April 1893 geboren. Er kam während des 1. Weltkriegs als Kriegsgefangener nach Minden und lernte im Gefangenenlager seine spätere Frau Helene geborene Ingberg kennen, die dort als Dolmetscherin arbeitete. Sie, am 15. Juni 1898 geboren, war bereits als Kind mit ihren Eltern nach Minden gezogen. Zur Familie gehörten die drei Kinder Isidor, geboren am 11. Februar 1919; Herbert, geboren am 22. Dezember 1920; und Charlotte, geboren am 4. September 1923.

Beide Eltern waren engagierte Sozialdemokraten. Partei- und Religionszugehörigkeit führten nach dem Beginn der Nazidiktatur dazu, dass die Familie zunehmend ausgegrenzt und bedroht wurde. Nach dem „Gesetz zur Aufhebung der Einbürgerung“ wurde den Kirschroths, wie allen osteuropäischen Juden, die während der Weimarer Republik eingebürgert worden waren, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. 1938 erfolgte die Ausweisung.

Am 28. Oktober 1938 wurde die Familie Kirschroth verhaftet und in ein Sammellager nach Hannover gebracht. Von dort wurde sie an die polnische Grenze deportiert und abgeschoben. Von dieser Deportation waren insgesamt 17.000 bis 18. 000 Juden betroffen, die, weil Polen sie zunächst nicht aufnehmen wollte, zehn Tage lang bei Schneetreiben und Frost zwischen den Grenzen umherirrten. Die Familie Kirschroth landete dann im Internierungslager Sbascyn/Bentschen. Von hier konnte der ältere Sohn Isidor nach Großbritannien ausreisen; er überlebte als einziges Familienmitglied. Im Mai 1939 durfte Helene Kirschroth noch einmal nach Minden reisen, um das Eigentum zu verkaufen; der Verkaufserlös wurde jedoch einbehalten.

Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 gerieten Samuel, Helene, Herbert und Charlotte wieder unter Naziherrschaft, ihre Spur verlor sich, sie sind verschollen. Über ihr Schicksal können nur Vermutungen angestellt werden.

Nach Verlegung der Stolpersteine erreichte den Arbeitskreis die folgende Information zum Schicksal der Familie Kirschroth, die auf Angaben des Sohnes Isidor beruht: Nach Auflösung des Lagers Sbascyn/Bentschen kurz nach Kriegsbeginn wurde die Familie in das Ghetto Miedzeszyn bei Warschau verlegt. Nach Kriegsende erhielt Isidor über die US-Army die Nachricht, dass dieses Ghetto nach dem Mai 1942 von der SS überfallen worden sei und dass alle Bewohner ermordet worden seien.