Sophia Neuhaus, Rosa Simon, geb. Neuhaus
Sophia Neuhaus
Im Haus Obermarktstraße 9, dem Eigentum des Ehepaares Isidor und Rosa Simon, wohnte auch Sophia Neuhaus. Sie war Schwester von Rosa Simon und auch Jüdin. Sie stammte ebenfalls aus Werl-Scheidingen im Kreis Soest, wo sie am 4. Oktober 1882 als Tochter von Abraham und Mina Neuhaus geboren wurde. Sie blieb unverheiratet.
Über ihre Zeit in Minden sind kaum noch Unterlagen vorhanden. So ist auch nicht mehr zu ermitteln, wann genau sie nach Minden zugezogen ist und ob diese Wohnung ihre erste in Minden war. Gesichert ist, dass sie in diesem Hause seit dem 27. Dezember 1936 lebte und, wie ihre Schwester, im Polsterei- und Tapeziergeschäft ihres Schwagers Isidor Simon arbeitete.
Am 11. Dezember 1941 wurde Sophia Neuhaus verhaftet und nach Bielefeld verschleppt, von wo sie am nächsten Tag nach Riga deportiert wurde. Hier verliert sich ihre Spur; sie hat das Lager nicht überlebt. Ihr wahrscheinlicher Todestag ist der 16. Mai 1943.
Rosa Simon, geb. Neuhaus
Rosa Simon wurde am 19. April 1877 in Werl-Scheidingen Kreis Soest geboren; sie war Jüdin. Ihre Eltern waren der Händler Abraham Neuhaus und Mina Neuhaus geb. Spiegel. Sie war Schwester von Sophia Neuhaus. Als Jugendliche absolvierte sie eine Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten; sie war auch in diesem Beruf tätig. Am 17. Mai 1919 heiratete sie in Bielefeld den jüdischen Polsterer- und Tapeziermeister Isidor Simon, geboren am 25. Februar 1878 in Minden.
Ab 1921 ist nachgewiesen, dass ihr Mann im Seitenflügel des Hauses Bäckerstraße 3 ein Etagengeschäft für Betten- und Baumwollwaren sowie eine Polsterei betrieb. Rosa Simon arbeitete im Verkauf und erledigte Buchhaltung und Korrespondenz. 1935 kaufte das Ehepaar das Haus Obermarktstraße 9, wo es jetzt wohnte und das Geschäft betrieb. Rosa engagierte sich – wie ihr Mann – in der jüdischen Gemeinde, in der sie stellvertretende Vorsitzende des Israelitischen Frauenvereins war.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wirkten sich die antijüdischen Maßnahmen und Aktionen auch auf Geschäft und Familie der Simons aus. Kunden blieben aus, der Umsatz sank drastisch. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden Geschäft und Wohnung geplündert und demoliert. Isidor Simon wurde -wie viele männliche Mindener Juden- in das KZ Buchenwald verschleppt, aus dem er im Dezember wegen seines Alters und weil er im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war, entlassen wurde.
Das Ehepaar Simon wurde nun gezwungen, sein Geschäft aufzugeben, es wurde „arisiert“. Geschäftseinrichtung und Vorräte wurden zwangsweise durch einen Treuhänder an Konkurrenten verkauft, Haus und Grundstück erwarb der Tapezier-meister Reinhold Ströber, der hier nun ein Polster- und Dekorationsgeschäft betrieb. Der Erlös kam jedoch nicht dem Ehepaar zugute, sondern wurde auf ein Sperrkonto bei der Dresdner Bank in Minden eingezahlt. Von diesem Geld mussten die sog. Juden-vermögensabgabe und die „Reichsfluchtsteuer“ bezahlt werden. Die Vierzimmer-wohnung im bisher eigenen Haus musste das Ehepaar verlassen; es wurde gezwungen, zunächst in eine kleinere Wohnung in der Ritterstraße, dann in das sog. „Judenhaus“ in der Königstraße 37 umzuziehen. Hier wurden Rosa und Isidor Simon gemeinsam mit anderen Mindener Jüdinnen und Juden am 28. Juli 1942 verhaftet und nach Bielefeld abgeschoben; am 31. Juli wurden sie in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Rosa Simon starb dort am 5. Juni 1944. Über die Umstände ihres Todes ist nichts bekannt.
Isidor Simon überlebte das Naziregime. Er wurde Anfang 1945 nach einer Intervention des Internationalen Roten Kreuzes mit einer größeren Gruppe von Juden aus Theresienstadt in die Schweiz abgeschoben und wanderte 1946 in die USA aus. Auf Grund des Rückerstattungsgesetzes der Bundesrepublik bekam er sein früheres Haus in der Obermarktstraße 9 zurück. Er verkaufte es dann 1951 im Vergleichswege für 8.ooo,- DM an den neuen Eigentümer, der es auch schon 1938 im Zuge der Zwangs“arisierung“ erworben hatte.