31. Station: Bachstraße 8 (Ortsteil Dankersen)

Paula Gehlhaus geb. Otte

Paula Gehlhaus wurde am 28. April 1893 in Stadthagen Krs. Schaumburg-Lippe geboren. Ihre Eltern waren der Postsekretär Hermann Otte und Lina geborene Hohmann. Sie war evangelisch. In der Familie lebten noch fünf Geschwister. Paula galt nach der Aussage einer Schwester immer als „körperlich und geistig schwächlich“. Bis zu ihrem 37. Lebensjahr blieb sie unverheiratet. Am 22. Juli 1920 gebar Paula Otte in Herford einen unehelichen Sohn, Willi, der von Kindheit an körperlich und geistig behindert war und deshalb schon als Kind im städtischen Waisenhaus in der Mindener Brüderstraße lebte. Am 21. August 1930 heiratete sie den Friseur Karl Gehlhaus, mit dem sie von jetzt an in Dankersen in der Bachstraße 8 wohnte.

Schon wenige Jahre nach ihrer Heirat machen sich bei Paula Gehlhaus Symptome einer beginnenden Geisteskrankheit bemerkbar. Im Frühjahr 1934 wird sie in das Krankenhaus Minden aufgenommen, wo die Ärzte eine Geisteskrankheit diagnostizieren, deren Ursache unbekannt sei. Sie halten eine Heilbarkeit für fraglich und bezeichnen Paula als „anstaltspflegebedürftig“. Der Amtsarzt bestätigt die Notwendigkeit der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt. So wird sie am 7. Juli 1934 in die Bodelschwinghschen Anstalten Bethel aufgenommen. Die fortlaufenden Eintragungen in ihre Krankenakte besagen eine ständige Verschlechterung ihres Zustandes, bescheinigen ihr aber gleichzeitig, dass keine organischen Krankheiten vorlägen. Sie lebt in einer geschlossenen psychiatrischen Station.

Am 18. November 1941 schreibt die Anstaltsleitung an den Ehemann, seine Frau müsse auf Anordnung des Oberpräsidenten in Münster zusammen mit einer Anzahl von Kranken aus Bethel verlegt werden, und zwar in die Heilanstalt Gütersloh. Die Verlegung geschieht am 21. November 1941 Der Übergabeschein bestätigt noch einmal einen unheilbaren angeborenen Schwachsinn

26_Paula GehlhausEintragungen in die Krankenakte aus der Gütersloher Zeit fehlen bis auf einen Vermerk vom 9. Juni 1942: „Krankenblatt nach Auszug in Gütersloh abgeschlossen.“ Das Abgangsbuch der Heilanstalt Gütersloh hält unter dem 9. Juni 1942 fest, dass Paula Gehlhaus nach Warta verlegt worden sei. Diese Eintragung ist fehlerhaft, denn sie lebte noch bis zum 12. November 1943 in der Gütersloher Anstalt. Unter diesem Datum findet sich nämlich in Ihrer Krankenakte der Vermerk: „Überführung nach Warta“. Zwei Tage später, am 14. November 1943, wird für Paula Gehlhaus eine Aufnahmeanzeige in Warta ausgestellt. Wie es zu der fehlerhaften Eintragung kam, kann aus der Aktenlage nicht geklärt werden.

Warta/Polen gehörte in der Zeit der deutschen Besetzung zum sog. „Reichsgau Wartheland“. Die „Heilanstalt“ Warta war eine der Tötungsanstalten des Deutschen Reiches, in denen im Rahmen der Euthanasiepolitik behinderte, kranke und sozial auffällige Menschen ermordet wurden. Diese Mordaktionen waren zwar im Sommer 1941 offiziell eingestellt worden, sie wurden jedoch bis zum Kriegsende weiter durchgeführt. Ihnen fielen wenigstens 200.000 Menschen zum Opfer. Zu ihnen gehörte auch Paula Gehlhaus. Sie starb am 1. Januar 1945. Der Totenschein nennt als Todesursache: Lungentuberkulose.

Nachtrag:
Willi Otte, Paula Gehlhaus‘ behinderter Sohn, wurde ebenfalls im Zuge der Euthanasiemaßnahmen ermordet. Er starb in der „Heilanstalt“ Egelfing-Haar am 25. Februar 1945 im sog. „Hungerhaus“. Für ihn liegt ein Stolperstein in der Brüderstraße 16 vor dem Robert-Nußbaum-Haus.