30. Station: Hafenstraße 6

Erna Woldt geb. Oestreich

Im Haus Hafenstraße 6 befanden sich die Geschäftsräume der Papierwarengroßhandlung des Kaufmanns Friedrich Woldt. Hier lebte er auch mit seiner Ehefrau Erna geb. Oestreich und den drei Kindern.

Erna Woldt wurde am 17. September 1890 (nach anderen Quellen 1891) in Bromberg geboren. Sie war Jüdin. Wann sie nach Minden verzog, ist nicht bekannt. In Minden hielt sie sich  zur jüdischen Gemeinde. Sie heiratete den am 4. September 1883 geborenen Kaufmann Friedrich Woldt, der nicht Jude war. In der Sprache der Nazis  galt er  als „jüdisch versippt“. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Edith (manche Quellen nennen sie Helene), geboren am 28. Juli 1912; Gustav, geboren am 21. Dezember 1913, und Horst, dessen Geburtsdatum nicht mehr zu ermitteln ist. Erna Woldt arbeitete in der Großhandlung mit; sie galt als die „Seele des Geschäfts“.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 führten die antijüdischen Boykotte auch bei der Firma Woldt dazu, dass sich Kunden und Lieferanten zurückzogen, was zu drastischen Umsatzrückgängen führte. So stellten auch die Mindener Melittawerke ihre Lieferungen ein mit der Begründung, das Geschäft Woldt sei „jüdisch versippt“.

Als im Jahre 1943 die Wohnung von Emil Samuel und Frau bei einem Bombenangriff zerstört wurde, nahm die Familie Woldt diese jüdische Familie bei sich auf.

Weil Erna Woldt in einer sogenannten „privilegierten Mischehe“ lebte, war sie zunächst keiner unmittelbaren Verfolgung ausgesetzt. Das änderte sich, als sie um die Jahreswende 1943/44 gegenüber einem Offizier eine Äußerung tat, die als „staatsfeindlich“ betrachtet wurde. Sie wurde daraufhin im Januar 1944 verhaftet und in das Polizeigefängnis in Minden eingeliefert. Am 19. Mai 1944 wurde sie in das Polizeigefängnis Hamm überstellt, von wo sie am 22. Mai 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde. Hier wurde sie am 10. Dezember 1944 ermordet.

Ihr Mann Friedrich Woldt wurde schon vor der Verhaftung seiner Frau mehrfach von der Kreisleitung der NSDAP aufgefordert, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen, was er konsequent ablehnte.

Der Sohn Horst starb 1943. Tochter Edith und Sohn Gustav wurden nach der Deportation ihrer Mutter verhaftet und in ein Konzentrations- oder Arbeitserziehungslager eingeliefert. Ihr Schicksal ist unbekannt.DSC_2397_Erna-Woldt